[ home ] | [ e-mail ]

1. Wissenswertes über Till Eulenspiegel

Es gilt als wahrscheinlich, daß ein fahrender Gesell, der durch seine Possen bekannt wurde, in der 1.Hälfte des 14.Jahrhunderts gelebt hat. Er soll als Sohn von Klaus Eulenspiegel und Anna Wibeke im Dorfe Kneitlingen (10km östlich von Wolfenbüttel) bei dem Elm im Lande Sachsen geboren sein.
Der Name "Eulenspiegel" kommt von 1335 an mehrfach in Braunschweig und Umgebung vor. Im plattdeutschen "Ulenspeygel" bedeutet der Name "ulen" = fegen, reinigen und "spiegel" = Spiegel in der Jägersprache, also das Hinterteil saubermachen oder einfach Leck mich am Arsch !
1350 ist Till Eulenspiegel in Mölln (35km östlich von Hamburg) verstorben. 1592 hat ein Reisender in Mölln sein Grab gesehen und beschrieben.
Durch wiederholtes Erzählen seiner Taten sind diese von Generation zu Generation weitergetragen und erhalten worden. Die Streiche sind, vermutlich durch den Schriftsteller Hermann Bote um 1510 erstmalig als Buch erschienen. Es war bebildert und existiert in noch einem Exemplar. Johann Griesinger druckte 1515 in Straßburg eine weitere Auflage. Davon befindet sich ein Exemplar im Britischen Museum in London. Ebenfalls ein Exemplar aus einer Auflage von 1519 besitzt die Forschungsbibliothek in Gotha. Als ein weiterer Herausgeber dieser Geschichten von 1532 ist Melcher Sachse aus Erfurt bekannt.

Diese Informationen habe ich dem Buch Ein kurzweilig Lesen von Till Eulenspiegel, erschienen im Eulenspiegelverlag Berlin 1978 entnommen. Aber auch Theaterstücke und Gedichte, ja sogar ein Lied über Till Eulenspiegel sind in Bernburg verfaßt worden.

Dr. H. Siebert - Blicke in Bernburgs Vergangenheit
Verlag Gustav Kunze Bernburg 1932
Till Eulenspiegel als Turmwart zu Bernburg um das Jahr 1330. (Gedicht)

H.S. - Bernburger Eulenspiegel-Lied

Walter Kühlhorn - Bernburger Heimatkalender 1927
Turmwart Eulenspiegel (Theaterstück)

Eine Auswahl von Bernburger Heimatbriefen (1937-44). Diese Blätter sind im *.gif-Format eingescannt und liegen als ZIP-Datei (ca. 550 KB) zum Download bereit.

2. Der Eulenspiegelturm in Bernburg

Im Gegensatz zum "Blauen Turm" am Eingang zum Schloßhof, so bezeichnet durch seine Schieferdeckung, nannte man den ziegelgedeckten Eulenspiegelturm auch "Roter Turm".
Der Eulenspiegelturm
Als ältester Bauteil des Bernburger Schloßkomplexes steht im nördlichen, höher gelegenen Raum der romanischen Kernburg der Bergfried. Mit mehr als 30m Höhe und einer Mauerstärke von 3,60m im Erdgeschoß bildete er der alles überragenden und festesten Bau der Burg, der ebenso als Wachturm wie als Wehr- und Rückzugsbau diente, während sein bis unter den Bauhorizont führendes Gewölbe als sicheres Burgverlies galt. Umbauten und Ausstattungsbauten des Bergfrieds, für den schon im 17.Jahrhundert die Bezeichnung "Eulenspiegel" üblich war, erfolgten nach 1570 und im Jahre 1666.

(Aus: Schloß Bernburg von Ottomar Träger E.A.Seemann Verlag Leipzig 1991)

3. Ein sinnreich Werk ...

... nannte Lessing jenes Straßburger Volksbuch von 1515, dessen Hauptfigur niemand anders als der Schalksnarr, Spaßnarr und Leutefopper Till Eulenspiegel war. Mehrere seiner "Historien" sind im Saaletal und im Anhaltischen angesiedelt und haben inmitten unserer Kleinstadtidylle zu einer liebevoll gepflegten Vertrautheit und zu vielfältigen Symbolisierungen mit dem Volkshelden geführt.
Wenngleich jüngste Auffassungen Eulenspiegels Aufenthalt in unserer Stadt bezweifeln, trug nach ihm schon im Jahre 1640 der runde Bergfried des Bernburger Schlosses seinen Namen. Im damals niedergeschriebenen Salbuch, einem sorgfältig geführten Amts- und Wirtschaftsbuch der Schloßherrschaft, heißt es nach einer Darstellung des langen Hauses weiter: "Vor der letzten Stuben im dritten Geschoß gehet morgenwärts ein Gang auf den großen runden Turm, ... wird der Eulenspiegel genannt, weil derselbe einstmals Türmer droben gewesen, wie dessen in seinen Historien unter anders gedacht wird." Am 8. Mai 1641 schrieb Fürst Christian II. in sein Tagebuch, daß hohe kaiserliche Offiziere nach gehaltenem Gespräch auf den Eulenspiegel gingen, um sich besser umzusehen. Die frühe Verknüpfung von Bergfried und Eulenspiegelfigur in den Jahren 1640 und 1641 deutet auf eine wohl schon zu jener Zeit bestandene Volkstümlichkeit und Beliebtheit des Helden im Bernburgischen hin. Eine Turmstube mit spätgotischem Türgewände findet man nach steilem Aufstieg noch heute im Dachgeschoß des mittelalterlichen Turmes, der um 1570 seine Renaissancegiebel erhielt. Wie sehr die Überlieferung insbesondere seit der Romantik im frühen 19.Jahrhundert gepflegt wurde, mögen die seitdem mehrfach im heimatkundlichen Schrifttum genannten Reliquien erahnen lassen, die Eulenspiegel zugedacht sind und wohl aus besonderem Anlaß irgendwann einmal auf den Turm gebracht wurden. Aber von allem ist längst nichts mehr erhalten, ebensowenig die durch die Literatur geisternden Bruchstücke einer gläsernen Trompete.
Unter den frühen Nacherzählungen, die die Türmergeschichte erfuhr, mag hier die im Wochenblatt des Anhaltischen Volksfreundes vom 9.3.1831 veröffentlichte romantische Ballade als eine besonders schöne Nachdichtung wiedergegeben sein:

Der Eulenspiegelturm auf dem Schlosse zu Bernburg

Freund Eulenspiegel
Lugt von dem Turm
Nach Fluß und Hügel,
Ob irgendwo ein Feind
Mit Heeresmacht erscheint.
Er sieht nicht Knecht´ noch Rosse,
Und frei ist Höh´ und Tal,
Drum schaut er hinab zum Schlosse,
Da hielt der Graf sein Mahl.
"Hm", spricht der lose Wächter,
"Da möcht´ ich Gast mit sein!
Die schmausen bei Braten und Wein!
Ich leb´ hier oben viel schlechter
Und muß mit leerem Magen
Für aller Wohl mich plagen!"
So dachte Till mit Schmerzen.
Da regte sich im Nu
Der alte Schalk im Herzen.
Er langt das Horn herzu
Und stößt mit Macht hinein,
Als gält´ es mein und dein,
Als bräch´ der Feind hervor
Und läge schon am Tor.
Und hui! Im Fürstensaale
Wird alles reg´ und munter,
Die Ritter eilen vom Mahle
Flugs in den Hof hinunter.
Sie stürzen zu den Rossen,
Der lange Helmbusch weht,
Die Schar der Knechte steht
Bereit mit den Geschossen.
Sie jagen auf ihren Wegen
In Hast dem Feind entgegen.
Kaum sitzen die Ritter im Bügel
Und eilen fort im Sturm,
Da kommt der Eulenspiegel
Herab von seinem Turm.
"Nun tummelt eure Rosse,
Die schon so lange ruh´n!
Soll Till sich hier im Schlosse
Nicht auch mal gütlich tun?" -
Er sitzt auf seinem Stuhle
Und lebt wie der König von Thule.
Doch war´s noch keine Stunde
Da kehrt die Ritterschar;
Kein Feind ist in der Runde,
Und nirgends hat´s Gefahr.
Als da der Graf im Saale
Den Eulenspiegel schaut,
Der beim verlass´nen Mahle
Noch immer trinkt und kaut,
Da merkt er, wie des Möllners List
Hier im Spiel gewesen ist.
Doch ob er weidlich auch gelacht
Und nicht erlaubt die Rache,
Wird doch ein neuer Wart gemacht,
Der pflichtgetreuer wache.
Till ging ins Magdeburger Land
Und foppte ferner die Leute,
Doch ward der Turm nach ihm benannt
Und heißt nach ihm noch heute.

In unserem Jahrhundert haben namhafte Heimatforscher wie Dr. Hermann Siebert, der das Tanzwunder von Cölbigk und den Bernburger Heelechrist aufs neue in Erinnerung gebracht hatte, sowie Franz Stieler und Maler wie Karl Bloßfeld unendlich viel zur Verwurzelung der Eulenspiegelfigur im Bewußtsein der Bernburger beigetragen. Seit Jahrzehnten bereichern zahllose weitere Verse, Lieder, Spiele, Scherze, bildliche Darstellungen und Werbespots Bernburger Brauchtum, Heimatzeitungen und -briefe sowie Geschäftsleben rund um Eulenspiegel. Seit jüngster Zeit betreibt eine Till-Eulenspiegel-Apotheke in Bernburgs Innenstadt ihre Offizin. Ein Eulenspiegel-Verein hat sich der Ausstattung des jährlichen Rosenfestes angenommen, und jährlich hält auch der Narr in der Karnevalssaison, zu deren Beginn Till aus seiner Türmerstube im Bergfried des Schlosses befreit wird, Oberen und Niederen den Spiegel der Selbsterkennung vor. Seine Weisheit "Wozu jedermann Recht hat, das nimmt man ihm gern" entspricht wohl einer sinnreichen Selbsterfahrung, der sich jede Generation in jeder Gesellschaft aufs neue gegenübergestellt sieht. Eulenspiegels Erkenntnis, Besitz und Macht zum Wohle des kleinen Volkes mit Verantwortung auszufüllen, blieb wohl nicht nur dem Grafen des 14.Jahrhunderts versagt.

(Aus: Chronik der Städte und Gemeinden des Landkreises Bernburg - Zweite von einer Serie kommunaler Chroniken)
Mit freundlicher Genehmigung von Herrn Ottomar Träger - Museumsdirektor i.R.

4. Till Eulenspiegel in Bernburg

Mit seiner Befreiung aus dem Bergfried des Schlosses durch die Bernburger Narren, dem anschließenden Rathaussturm und der Übernahme der Stadt durch die närrische Führung wird am 11.11. 11:11 Uhr in der fünften Jahreszeit die Figur des Till Eulenspiegels in Bernburg zu neuem Leben erweckt. Seit 1975 verkörpert Margit Lange den Till Eulenspiegel des Karnevalsclubs, der in diesem Jahr seine 45.Saison (1999) veranstaltet. Das närrische Treiben endet am Aschermittwoch und Eulenspiegel wird wieder in den Turm gesperrt. Foto: MZ
Till Eulenspiegel
BKC Der Bernburger Karnevalsclub e.V. hat Till Eulenspiegel zu seinem Maskottchen erwählt.
Neben dem Bären, dem seit Jahrhunderten bekannten Wappentier der Bernburger Askanier (der Bär befindet sich auch heute noch im Wappen des Landkeises Bernburg) ist Till Eulenspiegel zweites Wahrzeichen unserer Stadt. An vielen Plätzen kann man ihn entdecken.
Till Eulenspiegel
In unmittelbarer Nähe des Rathauses und des Theaters steht eine Plastik von Till Eulenspiegel. Diese wurde vom Modeleur und Graveur Helmut Schubert anläßlich der 1000-Jahr-Feier 1961 geschaffen, rechts neben einem Springbrunnen auf dem Karlsplatz und später etwa 50m davon entfernt aufgestellt. Sie hat nun nach erfolgter Restaurierung an o.g. Stelle ihren Platz gefunden.
Eine andere Quelle(?) sagt: "Die 1500 M billige Eulenspiegel-Figur aus Rothenburger Kunststein, von der Hand des Steinbildhauermeisters Paul Boelecke, Könnern, ... der sie 1959 in der Anlage des Marx-Engels-Platzes hatte aufstellen lassen ..."
Tafel
Linkerhand vor der Figur steht eine Tafel, die in nettem Vers die Sage um Till Eulenspiegel in Bernburg schildert.
     Die Sage der Bernburger Heimat erzählt:

          Durch falsches Signal
          erlistetes Mahl
          hat Eulenspiegel verschlungen.
          Der Streich ist ihm gelungen.
          Nach vielen Schelmenstücken
          kehrt er Bernburg den Rücken.
Dies könnte etwa um das Jahr 1330 geschehen sein. Seit 1324 regierte Bernhard III. die Bernburger Lande bis zu seinem Tode am 20.8.1348. Die Sage um Eulenspiegel und den Grafen von Anhalt ist die 23. dieser Sammlung. Auffallend ist gerade bei dieser und den beiden nachfolgenden Kapiteln die Möglichkeit einer zeitlichen Einordnung. Im Kapitel 24 geht Eulenspiegel zu dem König von Dänemark, Christoph II. (1276-1332) und seit 1319 an der Regierung. Namentlich wird der Besuchte in Kapitel 25 benannt, Fürst Kasimir, König von Polen. Es regierte tatsächlich Kasimir III. (1310-1370) als polnischer König seit 1333.

Erst kürzlich ist eine weitere Episode, die 47., aus dem Buch von 1510 bekannt geworden, welche direkt in Bernburg gespielt haben soll.

(Den Hinweis darauf erhielt ich von Herrn Museumsdirektor Dr. Wiermann.)

Stadtplan
Auf dem Karlsplatz in der Fußgängerzone befindet sich ein Stadtplan mit Till Eulenspiegel an einer Hauswand. Im Hintergrund ist das Schloß mit dem Eulenspiegelturm sichtbar; rechts daneben befindet sich das Wappen der Stadt Bernburg. Gemalt wurde dieser Stadtplan 1979 von Karl Wassermann (* 12.5.1909 † 18.6.1980). Als direkte Vorlage diente ihm dabei die 1939 von Karl Bloßfeld (kablo) geschaffene Zeichnung des Till Eulenspiegels, eine absolute Seltenheit in der staatlich kontrollierten Kunst.
Karl Bloßfeld war Kunstmaler in Leipzig, der jedoch den Kontakt zu der Stadt, in der er lernte, nie abreißen ließ - er schuf eine ganze Serie von Zeichungen zur Sagenwelt in und um Bernburg, aber auch Gemälde im nationalsozialistischem Sinne (z.B. große Wandgemälde im Saal des damaligen Rathauses).
Till Eulenspiegel

Eulenspiegel-Apotheke
Ebenfalls unweit der Fußgängerzone hat in den 90ger Jahren die Till Eulenspiegel Apotheke eröffnet.
Seit dem 31. März 2000 ist die Stadt Bernburg um eine weitere Eulenspiegel-Attraktivität reicher. In der Wilhelmstraße steht nun der von dem Quedlinburger Professor Wolfgang Dreysse geschaffene Trinkbrunnen mit der Inschrift "Man wird nicht als Eulenspiegel geboren ...". Diese aus Bronze gegossene, 2.40m hohe Statue fügt sich hervorragend in den kleinen Platz an der Kleinen Wilhelmstraße ein. Bereits 1988/89 wurde dem Künstler vom damaligen Bürgermeister Kraft Wasem und dem Rat der Stadt der Auftrag für dieses Kunstwerk erteilt. Doch erst jetzt konnte die Arbeit vollendet werden.
EulenspiegelbarIn der Bar
Schon seit Anfang der siebziger Jahre gab es in Bernburg eine Eulenspiegelbar. Sie befand sich in der Lindenstraße und schloß in der Wendezeit. Mitte der neunziger Jahre hat eine Bar gleichen Namens an anderem Ort neu eröffnet. Leider ist diese Gaststätte bereits seit längerer Zeit wieder geschlossen.
Wetterfahne
Als Wetterfahne fungiert hier ein Eulenspiegel auf einer Uhr neben der Marktbrücke. Diese Uhr wurde 1984 anläßlich der Einweihung dieser Brücke aufgestellt und 1998 im Rahmen der Umgestaltung des Saalplatzes wieder entfernt. Die Wetterfahne schuf Schlossermeister Jochen Müller aus Bernburg.
Paradies
In der Ausflugsgaststätte "Paradies" am westlichen Stadtrand befindet sich eine Eulenspiegel-Skulptur in einem Ensemble von Märchenfiguren. Rudolf Harig (* 9.12.1928 † 27.3.2004) fertigte diese aus Beton.
Stempel
Anläßlich des 1.Sachsen-Anhalt-Tages am 30.8. und 1.9.1996 wurde ein Sonderstempel der Deutschen Post AG in Bernburg benutzt.
Eulenspiegel liegt gelangweilt in der Siegelmitte.
[ zum Anfang ] | [ home ] | [ e-mail ]